Wohin wir schauen – ob in die Nachrichten, die Kollegenschaft oder die eigene Freundesgruppe – begegnen uns unterschiedliche, oft nicht miteinander vereinbare Standpunkte. Während der Corona-Pandemie, in Fragen wie Gendern oder Klimamaßnahmen treffen immer öfter harte Fronten aufeinander. Jeder meint selbst richtig zu liegen und urteilt andere Ansichten als falsch, rückständig, „woke“ oder gefährlich ab. Aber auch in unserem Inneren gibt es viele widerstreitende und scheinbar nur schwer vereinbare Tendenzen. Menschen sehnen sich danach ihren eigenen Weg zu gehen und haben zugleich Angst ihre Zugehörigkeit zu anderen zu verlieren. Oder wir sind so überwältigt von einer Nachricht, beispielsweise dem Ukrainekrieg, dass wir unfähig sind, andere, schöne Aspekte unseres Lebens wahrzunehmen. In Teams, die New Work einführen, begegnen uns die gleichen Polaritäten: die einen wollen Meetings mit einem CheckIn starten, die anderen lehnen diese ab.
Eine Möglichkeit dem entweder-oder, der Polarität von „richtig und falsch“ zu entkommen, ist es, beide oder mehrere Perspektiven gleichzeitig zu halten. In diesem Blogpost soll es um solche vermeintlichen Widersprüche gehen, die nicht offensichtliche, teilweise gefährliche Lügen oder Manipulationen sind, sondern in denen wir davon ausgehen können, dass es viele Dinge gibt, die nicht pauschal der ein oder anderen Front zuzuteilen sind, sondern die je nach Perspektive wirklich anders gesehen werden können.
Wie kann man Gleichzeitigkeit üben?
Wenn wir uns als Team darin üben wollen, andere Ansichten nicht pauschal als „falsch“ und „schlecht“ abzuwehren, müssen wir auf der individuellen Ebene daran arbeiten innerlich mehr Raum zu haben und Spannung halten zu können. Dafür benötige ich zum einen Selbstkenntnis: ich muss mir selbst gewahr werden, was meine eigenen Bedürfnisse und Interessen, aber auch meine Prägungen sind, die mich bestimmte Perspektiven als „wahr und gut“ ansehen lassen und andere abzuwehren. Sobald ich nicht mehr meine eigene Ansicht als einzig gültige ansehen muss, kann ich mich neugierig dem anderen zuwenden, der eine andere Perspektive einbringt. Es ist wichtig zu sagen, dass es einen großen Unterschied gibt, ob ich einen anderen Standpunkt anerkennen kann (z.B. das Gendern ein neumodischer Trend ist, der die deutsche Sprache zerstört) und diesen gut zu finden oder gar zu übernehmen. Wir sprechen davon BEIDE Standpunkte zuerst einmal nur im eigenen Inneren wahrzunehmen. Wir erleben immer wieder, dass dieser Schritt – die Existenz der anderen Perspektive anzuerkennen – schon eine deutliche Entspannung im Gegenüber auslöst und Gespräche auf dieser Basis wesentlich konstruktiver und offener sind. Statt Druck, der Gegendruck erzeugt, fühlt sich das Gegenüber gehört und respektiert, was wiederum psychologische Sicherheit erzeugt.
Was versteckt sich hinter Gleichzeitigkeit?
Wir sind in der Lage statt reaktiv und spontan „anderes“ abzuwerten, eine Urteilspause einzulegen, innerhalb derer wir die andere Aussage reflektieren können. Gleichzeitigkeit bedeutet anzuerkennen, dass wir nicht unweigerlich zwischen zwei Alternativen wählen, also das „entweder-oder“ Prinzip verfolgen müssen, sondern das wir mehrere Dinge nebeneinander existieren lassen können: „sowohl als auch“. Wir sind dann in der Lage den scheinbaren Widerspruch in uns zu beherbergen, statt nur eindeutige Botschaften aufnehmen zu können. Wir erkennen an, dass die Welt vielfältig ist und andere Standpunkte durchaus eine Daseins-Bereichtigung haben.
Warum lohnt es sich Gleichzeitigkeit zu praktizieren?
Wie eben schon beschrieben wird Gleichzeitigkeit der realen Komplexität und Vielfalt der Welt wesentlich gerechter als eine monolithische Sicht. Durch verschiedene Perspektiven erweitern wir den kreativen Handlungsspielraum von Lösungen und sind zugleich in der Lage Antworten, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die viel mehr Menschen ansprechen. Aber auch auf der individuellen Ebene lohnt sich die Kompetenz verschiedene, teilweise sich wiedersprechende Sichten innerlich abzubilden. Wir sind viel weniger reaktiv und gestresst, sondern weiter, offener und entspannter. Wir werden konfliktfähiger, da wir gelernt haben mit Andersartigkeit respektvoll umzugehen. Und wir erleben uns viel mehr mit anderen Menschen verbunden, da wir unsere Unterschiede nicht verabsolutieren, sondern auch die vielen Gemeinsamkeiten zwischen uns als Menschen sehen.
Wie können wir in einer Welt, die von Stapelkrisen und existentieller Unsicherheit geprägt ist, stabil und kreativ bleiben?
Unser Kurs Inner Work Intensive vermittelt dir dazu die grundlegenden inneren Kompetenzen in einem interaktiven Format mit vielen Übungseinheiten.