Der Ton macht die Musik. Was ist der Unterschied zwischen „über etwas sprechen“ und „aus sich sprechen“?

Image generiert mit Midjourney

Als ich anfing mich mit Meditation und Inner Work zu beschäftigen, wurde ich von Lehrern und anderen Schülern immer wieder aufgefordert, nicht „über“ ein Thema zu sprechen, sondern „aus“ dem Thema heraus. Bei meinem Meditationslehrer, Thomas Hübl, beobachtete ich, dass er meinen Worten meist nicht sehr viel Aufmerksamkeit schenkte, sondern seine Wahrnehmung auf eine andere Ebene in mir zu lenken schien.

Ich war verwirrt. Ich erzählte doch lebendig und voller Inbrunst von meinen Empfindungen und Erfahrungen! Wie sollte ich denn sonst sprechen? Was wollten sie denn alle von mir?

Später begriff ich es etwas besser. Ich merkte, wie selektiv ich mich selbst fühlte. Ich war mit meinem regen Verstand verbunden und spürte meinen auf Hochtouren laufenden Körper. Da in beiden viel los war, war es leicht zu glauben, ich würde mich ganzheitlich fühlen und auch ganzheitlich sprechen. Aber in Meditationen, in denen ich mich gezielt auf meine emotionale Ebene und mein Nervensystem einstimmte, wurde mir deutlich, wie flach und diffus meine Gefühlswelt und wie angespannt meine Nerven meist waren.

Mit der Zeit verfeinerte sich meine Wahrnehmung dafür, wie ich selbst und andere sprachen.

„Über etwas sprechen“ bezieht sich darauf, dass nur selektive Teile eines Menschen, meist die kognitiven, mit dem Sprachakt verbunden sind, während der weitere Resonanzraum – Körper, Emotion, Nervensystem, spirituelle Sensibilität – gedimmt, auf einer Frequenz eingefroren oder ganz ausgeschaltet sind. „Aus sich heraus sprechen“ wiederum bedeutet, dass die verschiedenen Ebenen meines Selbst im Bewusstsein auftauchen und meine Gedanken und Worte informieren, d.h. inneren Zustände durch Worte eine äußere Form bekommen.

Wenn jemand „aus sich heraus” spricht, dann haben die Worte eine größere Wirkung. Denn beim Zuhören verarbeiten wir viel mehr non-verbale Signale als uns bewusst ist. Insbesondere spüren wir instinktiv, wenn unser Gegenüber nicht-kongruent ist. Also, wenn beispielsweise unsere Kollegin  etwas anderes sagt, als ihre Körperhaltung und Gefühlsebene kommuniziert. Solche gespaltene Kommunikation wirkt inauthentisch oder unklar. Ich merke dann, dass ich dem anderen zwar zugehört habe, aber ihm entweder nicht ganz vertraue, oder schlichtweg nicht verstehe, was die Worte wirklich bedeuten.

Lippenbekenntnisse oder tiefere Wahrheit?

Als Zuhörerin finde ich es spannend zu beobachten, welche Botschaften gerade wirklich im Raum stehen. Auf einer Veranstaltung über Diversität in Unternehmen, an der ich in Süddeutschland teilnahm, richtete ein Mann aus dem Publikum sein Wort an die Vortragende und brachte einen Einwurf, den ich auf der Sachebene total nachvollziehen konnte. Er sagte, dass er die Beschäftigung mit Diversität in Organisationen an sich wirklich sehr wichtig fände. Dass es aber in Unternehmen, die gerade selbst mit dem Überleben kämpfen, wichtigere Themen gäbe.

Obwohl ich der Argumentation zustimmen konnte, da ich aktuell einige Teams sehe, die für eine adäquate Beschäftigung mit diesem großen strukturellen Problem keine passenden Ressourcen haben, löste der Wortbeitrag in mir tiefes Unbehagen aus. Es dauerte etwas, bis ich verstand, woran das lag: auch wenn der Mann aus dem Publikum wortgewandt verkündet hatte, wie wichtig ihm Diversität und die Überwindung struktureller Diskriminierung waren, so hatte ich dies nicht gefühlt. Mit seiner Haltung verkörperte er: lasst uns den Status quo erhalten und uns um wichtigere Dinge kümmern, nämlich die Profitabilität.

Für diese Diskrepanz zwischen Wort und Transmission, also der mitschwingenden energetischen Botschaft, haben wir ein aus dem 18. Jahrhundert stammendes Sprichwort: “Der Ton macht die Musik”. Und so versuche ich sowohl bei anderen immer feiner zu hören (und zu lesen), was eigentlich gerade wirklich gesagt wird. Wem ich vertrauen kann. Wo ich nochmal nachfragen muss. Und ebenso, ob ich selbst gerade „über etwas spreche“ oder „aus mir heraus“. Im ersteren Fall versuche ich dann nochmal anzusetzen und während des Sprechens mir selbst zu lauschen, was sich gerade ausdrücken will. Diese Form von bezogenem, emergenten Sprechen kann sehr befriedigend sein: da ich mehr Informationen einbeziehe, gelingt es mir zuweilen, mich selbst zu überraschen.ersteren

Für einen besseren Selbstkontakt kannst Du unsere 4-Synch Meditation (nach Thomas Hübl) ausprobieren. 

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