Diese Woche verbringe ich mit dem Team des betterplace lab in La Haute Carpenee, einem kleinen Weiler in Südfrankreich. Wie jedes Jahr kommt das Team zusammen, um gemeinsam über den Tellerrand der unmittelbaren Projektarbeit zu schauen. Wir reflektieren, wo wir gerade stehen und wo es uns individuell und gemeinsam hinzieht. Diese Mal haben wir auch zwei neue Mitarbeiterinnen dabei, für die diese Woche ein gutes On-Boarding ist. Denn jetzt erleben sie ihre Kolleginnen und deren Arbeit hautnah, konzentriert und sehr ungeschminkt.
Fünf Funktionen von Führung
In einer unserer Gesprächsrunden widmeten wir uns dem Thema geteilte Führung. Ich machte einen kurzen Input zum Thema und beschrieb die 5 Funktionen, die Führung in Selbstorganisierten Unternehmen zukommt:
1. Orientierung
2. Entscheidungen und Umsetzung
3. Räume für Reflexion und Austausch
4. Umgang mit Konflikten und Spannungen
5. Schutz und Sicherheit
Diese Funktionen werden in konventionellen Unternehmen von einer relativ kleinen Führungsriege übernommen. In agileren und selbstorganisierten Teams wandern diese Funktion aber viel breiter in die gesamte Belegschaft hinein. Jetzt müssen viel mehr Einzelne sich selbst führen, d.h. selbst dafür sorgen, dass sie 1. orientiert sind, 2. verantwortungsvolle Entscheidungen fällen und diese umsetzen, 3. sich selbst und ihre Kolleginnen reflektieren und konstant lernen, 4. Konflikte ansprechen und bearbeiten und 5. für den eigenen Schutz und Sicherheit sorgen, bzw. gemeinsam mit Kolleginnen einen sicheren Vertrauensraum errichten.
… in drei Kompetenzstufen
Für Teams mit verteilter Führung ist es wichtig, dass sie sich realistisch selbst einschätzen und auch wissen, wo ihre Kollegen in diesen Funktionen stehen. Doch um dies präzise zu erarbeiten, müssen wir nochmals eine Unterscheidung treffen. Denn jede der Funktionen kann auf (mindestens) drei verschiedenen Ebenen erfolgen.
- Ich kann mich selbst orientieren/ Entscheidungen für mich fällen/ mich reflektieren etc.
Auf dieser Kompetenzstufe können Beteiligte sich selbst und ihr Arbeitsumfeld, im Rahmen ihrer Rollen und Aufgaben, gut organisieren. - Ich kann mich im Rahmen meiner Eingenen Arbeit (1), aber auch im Rahmen des gesamten Teams gut orientieren (etc. ) und auch anderen im Team dabei helfen. Auf dieser Kompetenzstufe halte ich mich Vielfalt im Auge. Ich sehe unser Team, die anderen Mitarbeiter, unsere Kunden etc. und kann in diesem Rahmen die 5 Funktionen von Führung gut umsetzen.
- Ich kann „auf den Balkon gehen“ und aus der Vogelperspektive die Unternehmung als solches übersehen, inklusive dem gesamten Geschäftsumfeld. Ich habe zusätzlich zu meinem eigenen, unmittelbaren Aufgabenbereich (1) und der Ebene des Teams (2) viel mehr Komplexität im Blick und kann mich darin orientieren (etc.).
Im betterplace lab Team führten wir auf der Basis dieses Inputs nun Diskussionen in kleinen Gruppen: Wie schätze ich mich selbst in den 5 Funktionen von Führung ein? Was fällt mir leicht, was fällt mir schwer? Und auf welchem Reifegrad, von 1-3, kann ich diese Führungsfunktionen ausüben? Als letztes reflektieren wir noch, wo welches Team-Mitglied sich hingezogen fühlt, mehr zu lernen und die eigene Kompetenz bewußt auszuweiten.
Nach dieser Übung hatten wir einen guten Überblick darüber wieviele Beteiligte in dem neuen Team sich mit welchem Grad von Komplexität wohl fühlte und wohin sich jeder entwickeln wollte. Wir konnten dadurch auch feststellen, dass wir bestimmte Leerstellen haben, d.h. das wir perspektivisch noch mehr Menschen im Team brauchen, die den Gesamtüberblick halten und der gesamten Organisation dadurch Stabilität geben und zudem in der Lage sind auch eigenständig Partnerschaften und Projekte anzubahnen und zu refinanzieren.
Für mich sind diese Sessions eine wundervolle praktische Anwendung von Bettinas und meiner Arbeit und wie immer bin ich dem Team des betterplace lab unendlich dankbar für den Lernraum, den ich mir ihnen teilen darf.