In unseren eigenen Teams, ebenso wie in unseren Workshops, Vorträgen und den Online-Kursen spielt „Fühlen“ eine große Rolle. Wir legen viel Wert darauf, dass wir uns selbst, einander, aber auch unsere Umwelt an sich, nicht nur kognitiv erforschen und verstehen, sondern sie mit einem größeren Wahrnehmungsinstrumentarium erfassen: mit unserer körperlichen und emotionalen Wahrnehmung sowie einem 6. Sinn, den wir als „fühlen-denken“ beschreiben. Diese 6. Sinn ist eine Art ganzheitliche Resonanzbeziehung. Wir de-fokussieren dabei den Verstand und richten unsere subtile Ganzkörper-Wahrnehmung auf den jeweils zu erforschenden Gegenstand.
Wenn wir unsere Aufmerksamkeit dementsprechend neu ausrichten, stellen wir immer wieder fest, dass wir in bestimmten Bereichen oder zu bestimmten Zeiten nichts konkretes fühlen, sondern eher taub, nebelig und diffus sind. Doch anstatt dieses Nicht-Fühlen als Nichts anzusehen und zu ignorieren, beziehen wir es aktiv in unsere Wahrnehmung ein.
Denn Nicht-Fühlen bedeutet, dass wir bestimmte Dinge nicht bewusst mitbekommen. Das es Bereiche gibt, die wir auch mit stärkstem Willen und Konzentration nicht mitbekommen. Aus der wissenschaftlichen Forschung wissen wir, das wir nur einen Bruchteil – manche Neurowissenschaftler sprechen von 5% – unserer kognitiven Vorgänge bewusst zugänglich sind. Indem wir uns auf die Ränder unserer Wahrnehmung einlassen und den diffusen Bereich des Nicht-Fühlens erforschen, können wir mehr Unterbewusstes ins Bewusstsein holen. Wir kommen mit unseren tieferen Bedürfnissen und Interessen ebenso in Kontakt wie mit neuen Einsichten.
In der Praxis sieht das so aus, dass wir beispielsweise in Meditationen, in denen wir uns mit uns selbst verbinden, Nicht-Fühlen bewusst mitkriegen. Aber nicht, indem wir uns dafür innerlich kritisieren. Nach dem Motto: ich bin so taub, ich kann mich ja gar nicht fühlen“. Sondern auf liebevoll-interessierte Weise: „Ah, ich stoße hier an eine taube Schicht und kann meine Emotionen o.ä. gar nicht klar sehen und benennen. Interessant. Dann verweile ich mal ein bißchen in dieser Schicht.“
Wieso ist ein Bewusstsein für Nicht-Fühlen wichtig?
Wenn wir taube und diffuse Aspekte in uns selbst routinemäßig ignorieren und negieren hat das eine Reihe von negativen Folgen: Missverständnisse, Fehlentscheidungen und Konflikte. Denn oft überbrücken wir das Nicht-Fühlen mit gewohnheitsmäßigen, unreflektierten Reaktionen. Statt darauf zu warten eine klare Information zu bekommen (in Form eines Gefühls, einer Intuition, eines spontanen Wissens), neigen wir dann dazu automatisch zu handeln, so wie es unserer Gewohnheit entspricht.
Hierzu ein konkretes Beispiel aus dem Arbeitsumfeld:
In meinem Unternehmen werde ich gefragt, ob ich ein neues Projekt annehmen möchte. Ich fühle zwar keine Resonanz, sage aber gewohnheitsmäßig zu. Im Projektverlauf merke ich dann aber, dass ich eigentlich gar keine Lust habe an dem Thema zu arbeiten. Ich zwinge mich zwar dazu, aber meine fehlenden Motivation wirkt sich fast unweigerlich negativ auf den Projektverlauf und die Arbeitsqualität aus.
Wenn ich mich hingegen mit Nicht-Fühlen beschäftigen, kann ich mich in dem Moment, in dem mir ein Projekt angeboten wird und ich spontan nicht weiss, ob ich es annehmen oder ablehnen soll, aktiv um neue Informationen bemühen. Ich nehme mir etwas Zeit um tiefer in mich selbst hinein zu hören. Mit etwas Aufmerksamkeit und Geduld weicht der Nebel oft einem neuen Gefühl. Vor meinem inneren Auge kann ich mir beispielsweise vorstellen, was das Projekt für meine Auslastung der nächsten Monate bedeutet. Ob es mich interessiert oder eher langweilen wird. Auf dieser Basis kann ich eine besser informiertere Entscheidung treffen.
Um sich so offen mit Nicht-Fühlen zu beschäftigen, muss ich in der Lage sein mich zu verlangsamen, Dinge nicht gleich zu wissen, Unsicherheit und Kontrollverlust auszuhalten und auch unweigerlich Fehler zuzulassen. Im positiven Fall kann aus dem Nicht-Wissen und Nicht-Fühlen eine neue Information hervortreten, die mir den nächsten Schritt im Leben weisst.
Wenn wir automatisch und gewohnheitsmäßig auf Situationen reagieren, verlängern wir unbewusst die Vergangenheit und unsere Arbeit und Beziehungen werden dadurch langweiliger und festgefahrener. Wenn wir hingegen Nicht-Fühlen als Informationsquelle respektieren, können wir unser Leben oft frischer, authentischer und kreativer gestalten. Wir entfalten uns als Menschen und indem wir mehr von der Welt einbeziehen, vergrößert und entfaltet sich auch die Welt an sich.
Wie können wir in einer Welt, die von Stapelkrisen und existentieller Unsicherheit geprägt ist, stabil und kreativ bleiben?
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