In The Big Con. How the Consulting Industry Weakens our Businesses, Infantilizes our Governments and Warps our Economies demontieren Wirtschaftswissenschaftlerinnen Mariana Mazzucato und Rosie Collington die Beratungsbranche und zeigen, wie diese jahrzehntelang Milliarden aus öffentlichen und privaten Quellen eingenommen hat, ohne einen nennenswerten Gegenwert für ihr Geld zu bieten. In meinem Bookreview fasse ich einige der wichtigsten Thesen des Buches zusammen und beschreibe, wieso die Reform-Empfehlungen der Autorinnen nicht ausreichen. Sie beziehen sich nur auf äußere Strukturen und ignorieren die innere Dimension des Lebens. Doch ohne Inner Work ist die anstehende Transformation zum Scheitern verurteilt.
Das letzte Kapitel in unserem Buch Die Entfaltete Organisation beschäftigt sich mit Paradgimenwechseln. Wir gehen davon aus, dass wir uns in einer Zwischenzeit befinden. Eine Art die Welt zu verstehen und zu gestalten, neigt sich dem Ende zu und neue Weltbilder, Haltungen und Zielbilder entstehen. Anderes als bei dem gewöhnlichen schleichenden Wandel, sind die Veränderungen oft schnell, abrupt und radikaler. Bestimmte Überzeugungen, die viele Menschen gestern noch als gültig und normal ansahen, werden plötzlich als unpassend, ja oft sogar gefährlich empfunden.
Genau dies geschieht seit einiger Zeit mit der Ideologie des Neoliberalismus, der Überzeugung, das marktwirtschaftliche Kräfte maßgebliche Garanten einer liberalen und freiheitlichen Gesellschaft sind und die Aufgabe des Staates im wesentlichen darin besteht, optimale Marktkonditionen herzustellen. In den 1990er Jahren wehrten sich einflussreiche Wirtschaftsführer und Wissenschaftler weltweit gegen die soziale Abfederung von Ungleichheit und die Stärkung des Staates, weil sie Ungleichheit gar nicht als Problem ansahen. Im Gegenteil, viele waren davon überzeugt, diese müsse sogar noch größer werden, damit die Wirtschaft weiter wachsen könnte und der Wohlstand dann „später“ und „irgendwie“ allen zugute kommen würde. Neoliberalismus schien für viele Zeitgenossen die Quintessenz vernünftiger, allgemeinverständlicher Ideen zu sein. Es handelte sich, so der britische Ökonom John Williamson, um “den gemeinsamen Kern der Weisheit, der von allen ernsthaften Ökonomen anerkannt wird“.
Aber nicht nur Wirtschaftswissenschaftlern, Managern und Investoren, sondern auch vielen Bürgerinnen und Journalistinnen, erschienen neoliberale Ideen so normal, leicht und selbstverständlich wie die Luft, die sie atmeten. Ideologie? Nein, wieso denn, das ist doch gesunder Menschenverstand, dass auch der Staat und seine Institutionen, effizienter werden müssen. Das Verwaltungen unfähig sind, Innovationen zu entwickeln, sonders das wir dafür externe Berater brauchen. Das wir für viele Lebensbereiche, beispielsweise das Gesundheitswesen, Public-Private Partnerships aufsetzen und viele Dienstleistungen in einem Wettbewerb an den besten privatwirtschaftlichen Anbieter outsourcen.
Aber das, was von „allen ernsthaften“ Menschen anerkannt wird – ist plötzlich nicht mehr normal.
Heute, nach der Finanzkrise von 2007/8 und dem 2020er Covid Schock, wachsender Ungleichheit und gesellschaftlicher Polarisierung, erscheint die neoliberale Ideologie diskreditiert. In vielen Teilen der Welt werden die Grundpfeiler des kapitalistischen Systems neu durchdacht. Wir lösen uns von Werten und Leitbildern wie Effizienz, Produktivität und Wachstum und fokussieren uns mehr auf Fragen des Gemeinwohls. Wie können wir innerhalb von planetarischen Grenzen wirtschaften? Unsere Gesundheitssysteme reformieren? Technologien sinnvoll nutzen? Die Potentialentfaltung des Einzelnen fördern? Der Fragmentierung unserer Gesellschaften entgegenwirken?
Doch wird sich das, was ich hoffnungsvoll als neue Sensibilität und Haltung am Horizont wähne, wirklich als neues Paradigma, als neues „normal“ durchsetzen können?
The Big Con
Bei der Lektüre von The Big Con, dem neuen Buch der Wirtschaftswissenschaftlerinnen Mariana Mazzucato und Rosie Collington, kam ich mir ziemlich naiv vor. Denn die Autoren beschreiben anhand einer Fülle von Studien und Augenzeugenberichten, die Macht, die die globale Beratungsindustrie auf Wirtschaft, Politik und Verwaltung weltweit ausübt. Von wegen Paradigmenwechsel. Die Hauptprotagonisten des Buches, die „Big 3“ Managementberatungsfirmen – McKinsey, BCG und Bain – und die „Big 4“, die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deloitte, Ernst & Young (EY), KPMG und PwC – propagieren weiterhin unter dem Deckmantel neuer Buzzwords wie „Nachhaltigkeit“ und „menschenzentrierte Transformation“, die diskreditierten neoliberalen Politiken. The Big Con beschreibt ihre jahrzehntelange Legacy und ihren aktuellen Einfluss auf staatliche Institutionen, Politik und Verwaltung, und damit auf die ganze Bandbreite zentraler Lebensbelange, von unseren Gesundheitssystemen über unser Steuerwesen bis hin zu Klimaregulierungen.
Vieles spricht dafür, dass sie dabei Demokratien aushöhlen und unsere wichtigsten Institutionen infantilisieren. Ihr Einfluss war zu allen Zeiten umstritten und oft negativ. Heute jedoch, wo wir angesichts der vielen existentiellen Bedrohungen auf funktionsfähige, resiliente und verantwortungsvolle Institutionen angewiesen sind, ist die ungebrochene Macht der Beratungsindustrie so gefährlich wie nie zuvor.
Hier ein paar der wichtigsten Erkenntnisse:
1. Die selbsterfüllende Prophezeiung der „unfähigen öffentlichen Institutionen“
Wirtschaftsexperten und neoliberale Politiker verkünden seit den 1980er dass Politik und Verwaltung ineffizient und ineffektiv sind. Um Kosten zu senken und (mithilfe digitaler Prozesse) schneller, flexibler sind bürgerfreundlicher zu werden, sei es notwendig marktwirtschaftliche Prinzipien und Praktiken zu übernehmen und essentielle Expertise von privatwirtschaftlichen Akteuren einzukaufen. Diese Doktrin ignorierte viele Innovationen, die in den Jahrzehnten zuvor vom öffentlichen Sektor entwickelt worden waren, beispielsweise den lange vorbildlichen britischen National Health Service.
Im Namen von Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit wurden staatliche Institutionen vielerorts auf ihre rudimentärsten Strukturen dezimiert. Berater empfahlen den systematischen Abbau von In-Haus Expertise mit der Folge, dass zentrale Dienstleistungen und Kapazitäten von außen dazu gekauft werden mussten. Diese wiederum wurden oft von den gleichen Beratungsfirmen angeboten – allerdings zu höheren Kosten für den Steuerzahler. Derart ausgewählt sind sie heute oftmals wirklich unfähig selbst zu lernen und sich neuen Umgebungen adäquat anzupassen. Denn wenn Organisationen nicht mehr aus ihrem eigenen Handeln und ihren eigenen Fehlern lernen können, weil jemand anders das Handeln übernimmt, stagnieren sie und verlieren ihre Gestaltungsfähigkeit.
2. Wo wird Wert geschöpft?
Das neoliberale Narrativ geht davon aus, dass Wert hauptsächlich durch Investoren und Shareholder geschaffen wird, da diese das höchste Risiko eingehen. Demnach erscheint es logisch, dass Privatinvestoren auch überproportional von Wertsteigerungen profitieren. Doch diese Sicht auf Wertschöpfung und Risiko ist vollkommen willkürlich. Es ist mindestens genauso logisch zu argumentieren, dass Angestellte, die täglich ihre Arbeitszeit einsetzen, die eigentlichen Wertschöpfer sind. Und dass sie auch das höchste Risiko tragen, da sie jederzeit durch eine Umstrukturierung ihre Arbeit verlieren können? Und was ist mit dem Risiko von Bürgern, die in einem Staat, in dem die Reallöhne stagnieren, die Mittelklasse ausgehöhlt wird, und das Gemeinwesen derart polarisiert ist, dass es in wichtigen Themenbereichen unmöglich ist, sich zu einigen und wirksame Strategien umzusetzen?
Entgegen ihren eigenen Aussagen ist der Wert, den Beratungsfirmen für den öffentlichen Sektor und Wirtschaftsunternehmen schöpfen, nur schwer einzuschätzen. Eindeutig ist jedoch, dass sie für sich selbst extrem gut sorgen. Auch wenn die genauen finanziellen Einzelheiten nicht öffentlich zugänglich sind, gelten sie als hochrentabel und lukrativ. 2020 beliefen sich die Gesamteinnahmen der vier großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen auf etwa 152 Milliarden Dollar, wobei die Gewinne zwischen 10 und 30 Milliarden Dollar pro Unternehmen lagen.
3. Ein Confidence Trick
Berater, so die Autorinnen, leben von Hochstapelei, sie sind die modernen Con-Men, die so tun, als seien sie mit ihrem Wissen, ihren Methoden und Kompetenzen den Mitarbeiterinnen von öffentlichen Verwaltungen (aber auch herkömmlichen Unternehmen und NGOs) weit überlegen. Doch die Beratungsleistungen sind oft von zweifelhafter Qualität. Oftmals werden selbstbewusste Absolventen renommierter Universitäten mit einem Halbwissen auf Kunden losgelassen und täuschen nicht vorhandene Expertise vor, in dem sie ihre Standardmethoden mit mehrfach verkauften Marktinformationen komplementieren. Teil dieses Blendwerks sind die vermeintlich neutralen Forschungsinstitutionen der Unternehmen, wie das McKinsey Global Institute.
Entgegen ihrer Selbstdarstellung als hochqualifizierte Profis in allen Lebensbereichen, lesen sich viele der von Mazzucato und Collington beschriebenen Fallbeispiele wie Kriminalromane. Zu den kostspieligen, schlecht implementierten oder gänzlich gescheiterten Projekten zählen Public Private Partnerships wie das Stockholmer Karolinska Universitätskrankenhaus, COVID Maßnahmen in Frankreich, Kenias Smart City, aber auch die Restrukturierung ganzer Staaten wie Puerto Rica durch McKinsey & Co. Beratungsfirmen waren zudem die Speerspitze der Strukturanpassungprogramme, drakonischer Maßnahmen, die die öffentliche Infrastruktur ganzer Volkswirtschaften im globalen Süden ruinierten, mit verheerenden Folgen für das Gros der Bevölkerung. Bis heute helfen sie despotischen Regierungschefs, Milliarden außer Land zu bringen, z.B. in Angola.
4. Krasse Interessenskonflikte
Besonders eklatant sind die Interessenkonflikte innerhalb der Beratungsunternehmen. So empfehlen Managementberatungen Verwaltungen im Namen von Effizienz ganze Ressorts abzuschaffen, um die gleichen Dienstleistungen dann selbst anzubieten. Genauso widersprüchlich ist ihre Kundenstruktur: während sie einerseits staatliche Nachhaltigkeitsstrategien entwerfen, überwiegen ihre Einkünfte durch Kunden aus der Öl- und Gasindustrie.
Da die vier großen Wirtschaftsprüfungen schon lange kein Geld mehr mit ihrem ehemaligen Kerngeschäft verdienen, haben sie Beratungsarme aufgebaut und nutzen ihre prüfarischen Dienstleistungen als Türöffner für den viel lukrativeren Beratungsmarkt. Bei so eklatanten internen Interessenkonflikten verwundert es nicht dass die Wirtschaftsprüfungen bei allen großen Betrugsskandalen in den letzten Jahrzehnten, von Enron bis Wirecard, ihren Prüfungspflichten nicht nachgekommen sind. Ein besonders eklatanter Widerspruch besteht im Bereich der Steuergesetzgebung. So beraten Unternehmen wie KPMG und Deloitte das britische Finanzministerium bei der Ausgestaltung nationaler Steuergesetze. Auf ihrer Website positionieren sie sich mit eben dieser Expertise und versprechen ihren Unternehmenskunden sie besonders kompetent in Bezug auf Steueroptimierungen beraten zu können.
5. Unglaubwürdige Interessenvertreter für Nachhaltigkeit
Ihre offensichtlichen Interessenskonflikte und stark ideologisch geprägten Expertisen machen Beratungen insbesondere im Bereich von Nachhaltigkeit und Klimawandel zu unglaubwürdigen und gefährlichen Akteuren. In den letzten Jahren haben sich die großen Beratungsunternehmen für eine marktorientierte Klimaregulierung eingesetzt. Statt systemischer Umweltvorschriften propagierten sie marktwirtschaftliche Finanzinstrumente wie den globalen Handel in Carbon Credits und setzten auf neue Technologie, die obwohl noch nicht entwickelt, das Klima vermeintlich würden retten können. Beide Ansätze sind gescheitert. Um die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass Firmen es mit dem Klimawandel ernst meinten, entwickelten die Beratungen neue Modelle und Messgrößen. Doch deren Ergebnisse sind ebenfalls negativ und werden z.B. dadurch konterkariert, dass viele Selbstregulierungsgremien von den ehemaligen Chefs großer Öl-, Gas- oder Bergbauuntermnehmen angeführt werden. Propagierte Metriken, wie die REDD+ Metrik, mit der Waldemissionen gemessen werden sollen, benachteiligt kleine Unternehmen und verleiht den Aktivitäten lukrativer Beratungskunden Glaubwürdigkeit.
Wirtschaftsnahe Regierungen tragen zum Fiasko bei, indem sie Studien in Auftrag geben, die offensichtlich als Feigenblatt für Inaktivität dienen. Ein Beispiel ist die australische Regierung, die im Jahr 2021 McKinsey mit der Entwicklung einer Strategie zur Reduktion der Emissionen aus dem Kohlebergbau und der Aluminiumproduktion beauftragte, obwohl auch die Wissenschaftler der Australia Science Agency sich um den Auftrag beworben hatten. Der Bericht wurde von ernsthaften Kritikern als ein “sicheres Rezept für den Klimakollaps” bezeichnet. Es ging offensichtlich nur darum, den Anschein ehrgeiziger Maßnahmen zu erwecken.
Die aktuell wichtigste Metrik für Nachhaltiges Wirtschaften, die ESG (environmental, social, governmental) Standards, wurde von Tariq Nancy, dem ehemaligen Chief Investment Officer für nachhaltiges Investieren des weltweit größten institutionellen Investors BlackRock, als „gefährliche Ablenkung“ und „sozialer Placebo“ bezeichnet. Diese Standards verlangsamen das Handeln hin zu substantiellen systemischen Maßnahmen gegen den Klimawandel, indem sie den Eindruck erwecken, die Standards würden eingehalten werden, obwohl sie in Wirklichkeit unwirksam sind.
Vier Empfehlungen
Um den Gefahren der Beratungsfirmen zu begegnen, formulieren Mazzucato und Collington vier Maßnahmen:
- Der öffentliche Sektor braucht ein neues Selbstvertrauen. Politik und Verwaltung schaffen Wert, weit über ihre limitierte Rolle als Marktmacher und Marktregulierer hinaus. Es gilt die Innovationskraft der Verwaltung zu stärken, sie zu ermutigen, Risiken einzugehen und Politik und Markt aktiv zu gestalten.
- Dafür müssen wir in die Mitarbeiterinnen des öffentlichen Sektors ebenso investieren wie eine ganze Bandbreite von Fortbildungen und Lernmöglichkeiten anbieten.
- Damit Verwaltungen wieder lernende Organisationen werden, müssen sich Beratungsfirma, soweit sie eine Rolle spielen, verpflichten In-House Kapazitäten zu stärken.
- Die offensichtlichen Interessenkonflikte innerhalb der Beratungsfirmen gehören offengelegt und ihre diesbezüglichen Aktivitäten eingeschränkt.
Strukturelle Empfehlungen reichen nicht aus. Wir brauchen Inner Work
So sinnvoll diese Empfehlungen erscheinen, sie beziehen sich – wieder einmal – nur auf äußere Strukturen und Prozesse und ignorieren die inneren Dimensionen des Lebens. Aber die gescheiterten Reformen und Transformationsprozesse der letzten Jahrzehnte zeigen, dass Menschen immer ein Schlupfloch finden, um ihre eigenen Werte und Ziele durchzusetzen. Natürlich sind Regulierungen wichtig. Um uns vor dem Klimakollaps und einer Überwachungsgesellschaft zu schützen, müssen sie erlassen und durchgesetzt werden. Aber wirklicher Wandel basiert darauf, dass Menschen im Einklang mit ihren Intentionen und ihrem Weltbild handeln. Ich habe in meiner Tätigkeit als Sozialunternehmerin in den letzten Jahren immer wieder erlebt, wie Menschen sinnvolle Richtlinien umgehen und Hacks entwickeln, um ihre partikularen Ziele entgegen offiziellen Intentionen zu verfolgen. Deshalb bin ich so davon überzeugt, dass Bewusstseinserweiterung und Haltungsveränderungen eine zentrale Rolle in allen erfolgreichen Transformationsprozessen spielen.
Vor vielen Jahren fragte ich in Genf einen Experten für Wirkungsmessung, wieso er seinen hochkarätigen Job bei einer UN Behörde aufgab, die Standards für humanitäre Organisationen entwickelte. Trug er mit seiner Arbeit nicht maßgeblich dazu bei, dass Hilfe wirksamer und effizienter wurde? Er antwortete, dass er mittlerweile sehr desillusioniert sei. Täglich sehe er Organisationen, die ihre Kennzahlen „kreativ“ justierten, so dass sie den neuen Standards gerecht wurden. Auf dem Papier sah alles auch schon viel besser aus. Aus der Praxis aber wusste, er dass sich de facto die Qualität von Hilfe sogar eher verschlechtert hatte. Da ich mich als Mit-Gründerin einer Crowdfuning-Plattform für soziale Organisationen sehr für Wirkungsmessung interessierte, fragte ich ihn, was für ihn sinnvolle Kriterien für die Bewertung einer NGO waren. Seine Antwort überraschte mich damals – in den folgenden Jahren lernte ich ihre Weisheit jedoch sehr zu schätzen. Er sagte: „mich interessiert nur, wie ernsthaft die Mitarbeiterinnen und Leiterinnen von NGOs um Wirksamkeit bemüht sind. Wie gut sie ihren Zielgruppen zuhören und wie schnell sie aus Fehlern lernen. Das können mir Zahlen nicht vermitteln.“
Bei meinen eigenen Investments in soziale Unternehmungen folge ich diesem Maßstab. Ich schaue mir an, was die Gründerinnen motiviert. Möchten sie im konventionellen Sinn „erfolgreich“ sein und möglichst viel Profit machen? Oder treibt sie eine größere Fürsorge, Verantwortung, ja sogar Liebe, für die Welt an? Zudem interessiert mich, welchen Grad an Komplexität sie innerlich halten können. Wieviele Perspektiven haben sie auf dem Schirm? Konzipieren sie ihr Produkt nur für eine nischige Zielgruppe, erzeugen sie viele Externalitäten, oder haben sie systemische Faktoren im Blick?
Inner Work ermöglicht es Gestaltern, wie Unternehmerinnen, Beamten, Politikern, aber natürlich auch Beraterinnen sich selbst ehrlich zu reflektieren. Herauszufinden, was sie antreibt und motiviert. Sie lernen sich selbst besser kennen und verstehen, wie sie von Elternhaus, Schule und beruflichem Umfeld geprägt wurden und ob die dort vermittelten Werte wirklich ihre eigenen widerspiegeln? Zu was können sie in der Welt eine Beziehung eingehen – dreht sich in ihrem inneren Erleben das meiste um sie selbst und ihre unmittelbare Umgebung, oder können sie sich auf größere Bewegungen in anderen Gesellschaftsgruppen, in anderen Kulturen, einfühlen? Denn nur, wer sich tiefer beziehen kann, kann gut beraten und gestalten.
Aus diesen Gründen würde ich den vier sinnvollen Empfehlungen von Mazzucato und Collington noch eine fünfte hinzufügen: Menschen, die viel Macht haben unsere Welt zu gestalten, verpflichten sich Inner Work zu machen.