Ich werde häufig gefragt, ob jüngere Generationen mehr für Selbstorganisation zu begeistern sind als ältere. Die kurze Antwort ist: nein.
Die längere Antwort
Als ich Frederic Laloux’s Reinventing Organisation las, war ich Ende vierzig. Wie viele andere in meiner Altersgruppe, die sich für New Work begeistern, empfand ich die Art wie wir in Organisationen herkömmlich arbeiten unbefriedigend. Zwar waren meine betterplace Kollegen wesentlich motivierter als der weltweite Durchschnitt (laut einer großen Gallup Studie sind nur 13% wirklich bei der Arbeit engagiert), aber dennoch erschien es mir 2014 so, als würden wir bei weitem nicht das ganze Potential unseres Teams nutzen. Ich wünschte mir, dass sich alle Teammitglieder unternehmerisch für unsere Mission einsetzten, so dass der Druck der auf mir lastete, gleichmäßiger verteilt war. Wie viele Chefs wünschte ich mir zudem ein dynamisches Arbeitsumfeld, in dem wir uns gegenseitig inspirieren und unterstützen. Eine Organisation, in der das Neue mit dem wir uns tagtäglich beschäftigten (die digitale Transformation) auch in unserer Arbeitsweise etwas Neues hervorbringen würde.
Die von Laloux propagierten Elemente – Selbstorganisation, Menschenzentrierung und Evolutionary Purpose – erschienen vielen von uns “mittelalten” Gründern, Geschäftsführern und Mitarbeitern als das geeignete Update zu den aus dem Industriezeitalter übernommenen, aber mehr und mehr unpassenden Arbeitsformen.
Natürlich gibt es auch viele Ü40+, die mit dem neuen Organisations-Paradigma nichts anfangen können. Sie sind ihr Leben lang in hierarchischen Formen sozialisiert – vom Elternhaus mit einem (oft männlichen) Familienoberhaupt, der Schule und Ausbildung, bis zum Unternehmen – und hinterfragen diese Ordnung nicht weiter, zumal sie viel Sicherheit bietet. Und Sicherheit hat in der Nachkriegsgeneration, unter Boomern und Generation X, aus verständlichen historischen Gründen einen hohen Wert. Viele Chefs und Vorgesetzte identifizieren sich auch sehr mit ihren beruflichen Positionen und die Vorstellung ihre Macht und Kontrolle im Zuge eines New Work Transformationsprozesses abzugeben, macht ihnen Angst.
Die Gleichung: Arbeitskraft = sicheres Gehalt funktioniert nicht mehr wie früher
Viele jüngere Menschen sind nicht mehr bereit den Deal ihrer Eltern einzugehen, demzufolge sie ihre Arbeits-/Lebenszeit gegen die Sicherheit eines festen Gehalts eintauschen. Bekanntlich suchen Millennials und Generation Z im Arbeitsleben mehr Sinn und sind bereit materielle Einbußen hinzunehmen um ihre eigenen Werte und Potentiale auch im Job verwirklichen zu können. Sie wünschen sich eine flexiblere Lebensgestaltung und neue Grenzen zwischen Beruf und Freizeit. Bei betterplace kommt es beispielsweise immer wieder vor, dass Mitarbeiter aus verantwortungsvollen, gut bezahlten Jobs auf andere, “niedrigere” und schlechter bezahlte umschwenken, weil es in ihre Lebensplanung gerade besser passt.
Doch ist dies die Ausnahme und auf dem deutschen Arbeitsmarkt finden sich immer noch viel junge Menschen, die sehr sicherheitsorientiert vorgehen und vor allem gut Geld verdienen wollen.
Im betterplace lab habe ich sowohl Berufseinsteiger gesehen, die mit den ungewohnten Freiheiten und Verantwortlichkeiten wenig anfangen konnten, bzw. sie als starken Druck empfunden haben persönlich zu wachsen, als auch solche, die sich begeistert in die weiten Aufgabenfelder hinein warfen.
Wichtiger als das Alter ist in meiner Erfahrung die Persönlichkeit eines Menschen: ältere wie jüngere Menschen können stärker von der Anerkennung “von oben” abhängig sein, bzw. sich sehr mit ihren “Privilegien “da oben” identifizieren. Oder sie können neugierig und wandlungsfähig sein. Ihr Leben lang auf der Suche nach einem Update zum Status Quo. Für die letzteren sind neue Arbeits- und Führungsformen ein spannendes Experimentierfeld und können als eine enorme Bereicherung des Lebens wahrgenommen werden.
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